Post- und dekoloniale Denkformen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten in nahezu allen Wissenschaftsbereichen zunehmend etabliert. Ob in Geschichte, Archäologie, Literatur, Anthropologie oder Theologie, ja selbst in den Rechtswissenschaften ist die postkoloniale Kritik heute zumindest in Ansätzen präsent. Dadurch werden etablierte Erkenntnisformen und Forschungspraktiken in Frage gestellt und dezentriert. In ähnlicher Weise haben auch Ansätze einer interkulturellen Philosophie, zum Teil auch in direktem Dialog mit postkolonialen Denkformen, an einer Überwindung eurozentrischer Verengungen gearbeitet. In jüngster Zeit sind jedoch – auch durch politische Debatten, insbesondere über den Krieg in der Ukraine und den Krieg zwischen Israel und der Hamas – post- bzw. dekoloniales Denken zunehmend ins Visier der Kritik geraten. Im Zuge des Aufstiegs autoritärer Bewegungen und Regime, und zwar sowohl im Westen als auch im Globalen Süden, sind auch innerhalb des interkulturellen und post- bzw. dekolonialen Denkens manche Frontlinien aufgebrochen. In dieser Tagung möchten wir die verschiedenen Ansätze interkulturellen, post- und dekolonialen Denkens auf ihre jeweiligen Stärken und offenen Flanken hin befragen, um auf diesem Wege für eine zukünftige interkulturelle Philosophie zu bahnen.
Programm
Freitag 10.10.2025
9:00 Begrüßung: Niels Weidtmann, Hans Schelkshorn
9:30 Hans-Herbert Kögler
Heteronome Identitäten und reflexive Autonomie. Zur Relevanz post-kolonialer Erfahrungen für die interkulturelle Philosophie
10:45 Kaffeepause
11:00 Abbed Kanoor
Politisierung des Wissens und/oder Kulturphilosophie?
12:15 Mittagspause
14:00 Fabian Völker
Dekolonialismus und Universalismus: Die Aufgabe einer politischen Religionsphilosophie im Kontext der globalen Moderne
15:15 Kaffeepause
15:30 Georg Stenger
Kritische Phänomenologie als Herausforderung interkultureller wie post- und dekolonialer Philosophie
16:45 Kaffeepause
17:00 Niels Weidtmann
„Gelebte Philosophie": Dekoloniale und phänomenologische Überlegungen zu Kultur und Interkulturalität
19:30 Abendessen
Samstag 11.10.2025
9:30 Nikita Dhawan
Die Aufklärung vor Europa retten: Kritische Theorien der Dekolonisierung
10:45 Kaffeepause
11:00 Hans Schelkshorn
Welche Aufklärung wie fortführen? Interkulturelle Philosophie und Postkolonialismus in einer multipolaren Welt
12:15 Mittagspause
14:00 David Cortez
Zur Kritik der postkolonialen Vernunft in Lateinamerika
15:15 Kaffeepause
15:30 Ľubomír Dunaj
Zivilisationsanalyse und/oder/versus Dekoloniale Philosophie bzw. Dekolonialismus in einer multipolaren Welt
16:45 Schlusswort Hans Schelkshorn
17:00 Tagungsende
Referent:innen
David Cortez lehrt an der Hochschule Ravensburg-Weingarten und als visiting lecturer an der Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales (FLACSO) in Ekuador.
Nikita Dhawan, Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Dresden.
Abbed Kanoor, Geschäftsführer des DFG geförderten Center for Advanced Studies “Philosophizing in a Globalized World – Historical and Systematic Perspectives” an der Universität Hildesheim.
Hans-Herbert Kögler, Professor am Institut für „Philosophy and Religious Studies“ an der Universität North Florida; jährliche Gastprofessur am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt.
Ľubomír Dunaj, Research Fellow am Institut für Philosophie an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava.
Hans Schelkshorn, Prof. em. des Instituts für interkulturelle Religionsphilosophie an der Universität Wien.
Georg Stenger, Prof. em. für Philosophie in einer globalen Welt / interkulturelle Philosophie am Institut für Philosophie der Universität Wien.
Niels Weidtmann, Direktor des College of Fellows – Center for Interdisciplinary and Intercultural Studies der Universität Tübingen.
Fabian Völker, Post-doc-Assistent am Institut für interkulturelle Religionsphilosophie der Universität Wien