Prof. Dr. Claudia Bickmann, Präsidentin
Prof. Dr. Georg Stenger, kooptierter Präsident

An die Mitglieder
der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie e.V.

      28. 12. 2010

 

Liebe Mitglieder der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie,

mit einem herzlichen Gruß zum Jahresende und einem frohen Vorausblick auf das kommende Jahr 2011 möchten wir das zurückliegende Jahr nicht beschließen, ohne uns für die vielfältigen Aktivitäten aller Mitglieder unserer Gesellschaft von dieser Stelle aus ganz herzlich zu bedanken. Seit uns der monatliche Newsletter, den Karin Farokhifar gestaltet, einen breiten Einblick in die Vielzahl der Publikationen und Aktivitäten unserer Gesellschaft gibt, sehen wir allmonatlich nicht nur die Fülle an Problemfeldern, methodischen und argumentativen Zugängen, die durch die Mitglieder unserer Gesellschaft vertreten werden, wir sehen zugleich auch die Größe der Aufgabe, die vor uns liegt.

Die vielfältigen Bemühungen unserer Mitglieder reichen von einer eingehenden Auseinandersetzung mit den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen interkulturellen Philosophierens bis zu den Fragen einer philosophischen Ausdeutung all derjenigen Bedingungen, unter denen solche Rahmenbedingungen sinnvoll thematisiert oder gar mit den Mitteln philosophischer Annäherung beeinflusst oder verändert werden können. Interkulturelle Philosophie macht auf die Schwierigkeiten aufmerksam, unter denen die Bemühungen um die Gestaltung einer veränderten Welt immer schon stehen. Die erste Annäherung ist eine mühselige Entzifferung der schriftlichen und mündlichen Gestaltungsweisen, in denen uns die jeweiligen – eigenen wie fremden – Kulturen entgegentreten. Eine reiche Anzahl an Übersetzungen philosophischer Werke liegt uns in den unterschiedlichsten Ausprägungen zwar vor, noch aber sind sie, wenigstens an den deutschen Hochschulen, philosophisch weitgehend unerschlossen. Interkulturelle Philosophie hat sich insbesondere die philosophische Ausdeutung und Auslegung derjenigen Traditionslinien zur Aufgabe gemacht, die im Horizont der abendländischen Philosophie bisher nur in ab- und ausgrenzender Weise ihren Platz gefunden haben. Doch nicht allein die Frage, welche Übersetzungen uns einen angemessenen Zugang verschaffen, ist hier von Bedeutung, sondern es stehen seit Beginn der philosophischen Reflexion auf die Bedingungen eines angemessenen Zugangs zu den Gehalten des Gedachten vor allem auch die Methoden und Weisen der Annäherung an die jeweiligen Philosophien zur Diskussion. Heute befindet sich eine Vielzahl konzeptioneller Bemühungen in einem Wettbewerb miteinander, Bemühungen, die von strukturanalytischen, phänomenologischen, transzendentalphilosophischen, sprachanalytischen, diskurstheoretischen, hermeneutischen bis zu dekonstruktiven Betrachtungsweisen reichen, um nur die einflussreichsten zu nennen. Den Streit um die Angemessenheit der jeweiligen Zugangsarten kann sich interkulturelle Philosophie so wenig ersparen wie die Einsicht in das Faktum oder Phänomen, dass sich der genannte Streit im Wesentlichen auf der Grundlage der abendländischen Tradition ausgebildet hat. Die Auseinandersetzung mit den wieder kraftvoll erwachenden chinesischen Positionen etwa lässt mehr und mehr deutlich werden, in welcher Weise man eine Rückbesinnung auf die eigenen Fundamente sucht, gleichzeitig aber die bisher wenig ausgearbeiteten Seiten der eigenen Tradition durch Bezugnahme auf bereits erreichte Differenzierungsgrade innerhalb der westlichen Philosophien zu kompensieren sucht. Umgekehrt ist der Blick auf die nichteuropäischen Philosophien für die abendländische Philosophie ein Anlass, den dominant theoretischen Gestus ihrer gegenwärtigen Gestalt erneut zu bedenken.

In den letzten Jahren konnte die Verankerung der interkulturellen Philosophie im Hochschulwesen auf eine breitere Basis gestellt werden. Wichtig war uns in diesem Zusammenhang auch die Integration der Interkulturalität in den Kontext der Deutschen Gesellschaft für Philosophie e.V. (DGPhil), in der wir erneut auf dem nächsten Kongress in München im Jahr 2011 mit einem Kolloquium und einer Sektion beteiligt sein werden. Wir würden uns freuen, wenn Sie zahlreich zu diesem Kongress kommen könnten, da wir im Rahmen des Münchener Treffens zugleich auch eine Mitgliederversammlung abhalten werden.

Wie Sie vielleicht schon wahrnehmen konnten, haben sich unsere Tagungsplanungen in mehrfacher Richtung diversifiziert, und so wollen wir dieser zu begrüßenden Entwicklung u.a. auch dadurch Rechnung tragen, dass wir anstatt einer großen Tagung mehrere kleinere Tagungen ins Auge fassen. So haben wir denn auch schon gleich mehrere kleinere Tagungsstätten in Betracht gezogen, die für unsere Veranstaltungen leitend  sind: in Dresden wird in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Albert  Franz eine Tagung zum Thema interkulturelle Religionsphilosophie stattfinden; in Budapest ist zusammen mit Prof. Dr. Istvan Féher eine Tagung geplant; in Köln findet im Juli 2011 in Kooperation mit der Universität in Mumbai eine Tagung über den Personenbegriff in einer interkulturellen Perspektive statt. Eine weitere Tagung wird voraussichtlich mit dem Philosophischen Seminar der Universität Neapel stattfinden, in dem der Kulturbegriff in den Mittelpunkt rücken wird. Auch Frau Dr. Gabriele Münnix ist in Verhandlung mit dem Philosophischen Seminar in Innsbruck über die Ausrichtung einer Fachtagung zur Interkulturellen Philosophie. Herr Prof. Dr. Rolf Elberfeld, der nun in Hildesheim eine Professur mit einem Schwerpunkt für Interkulturelle asiatische Philosophie innehat, ist ebenfalls bereit, eine Tagung der GIP zu organisieren.

Im Rahmen des Forschungskollegs MORPHOMATA an der Universität zu Köln war es möglich, Prof. Dr. Ryosuke Ohashi von der Kyoto-University und Prof. Dr. Guo Yi von der Pekinger Akademy of Social Science als Fellows für ein Jahr zu gewinnen. Beide sind durch eine Vielzahl von Vorträgen und Veranstaltungen auch im Philosophischen Seminar der Universität zu Köln eingebunden.

Wie einigen von Ihnen schon bekannt sein dürfte, hat Georg Stenger, unser kooptierter Präsident, den Ruf auf die „Professur für Philosophie in einer globalen Welt“ an der Universität Wien angenommen und wird dort mit dem 1. Februar 2011 beginnen. Schon im Laufe der nächsten beiden Jahre werden dort diverse Veranstaltungen (Tagungen, Workshops, Ringvorlesungen etc.) stattfinden, die alle im Kontext der oben angesprochenen Frage- und Problemstellungen der interkulturellen Philosophie situiert sein werden. Darüber hinaus werden im Januar jeweils eine Prä- und eine Postdoc-Stelle ausgeschrieben, die an dieser Professur angesiedelt sind.

Wir wünschen Ihnen im Namen unseres gesamten Vorstandes ein glückliches und gesegnetes neues Jahr. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir auch weiterhin auf Ihre Unterstützung, auf Ihre Anregungen und Teilnahme an unseren gemeinsamen Aktivitäten rechnen könnten.

Seien Sie herzlich gegrüßt von

Prof. Dr. Claudia Bickmann

Prof. Dr. Georg Stenger