Bericht über den GIP-Workshop „Interkulturelle Philosophie und postkoloniale Theorie im Diskurs“ sowie die Mitgliederversammlung am 13.12.2019 in Köln

(Markus Wirtz)

Zu den Gelingensbedingungen interkulturellen Philosophierens gehört unter anderem auch die Auseinandersetzung mit (scheinbar) externen politischen und sozialen Faktoren, welche die Produktion und Rezeption philosophischer Diskurse maßgeblich beeinflussen und mitbestimmen. Einen dieser Faktoren stellt die postkoloniale Situation dar, in der sich große Teile der einstmals von europäischen Großmächten imperialistisch dominierten Welt befinden und die seit mehreren Jahrzehnten in den postcolonial studies theoretisch reflektiert wird: Grund genug, dem nach wie vor viel zu wenig geführten Dialog zwischen postkolonialer Theorie und interkultureller Philosophie einen eigenen Workshop der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie zu widmen, der am 13. Dezember 2019 in Köln stattfand.

Die drei eingeladenen Referent/innen akzentuierten in ihren Vorträgen jeweils unterschiedliche Facetten dieses Dialogs, dessen Notwendigkeit und Dringlichkeit auch in den anschließenden lebendigen Diskussionen mehr als deutlich wurde. In ihrem Einführungsvortrag „Jenseits von Eurozentrismus, mehr als Interkultur: Postkoloniale Theorie“ zeichnete Ina Kerner, Professorin für Politische Wissenschaft an der Universität Koblenz-Landau, ein differenziertes Tableau unterschiedlicher postkolonialer Ansätze. Im Hinblick auf die Interkulturalität des Philosophierens wurde dabei deutlich, dass es nicht genügt, die bislang eurozentrisch fixierte Philosophiegeschichte durch einige außereuropäische Positionen zu ergänzen, sondern dass es vielmehr darum gehen muss, das gesamte Narrativ des westlichen philosophischen Diskurses einschließlich der in ihm wirksamen Inklusions- und Exklusionsmechanismen zu hinterfragen und zu überdenken.

Im zweiten Vortrag legte Prof. Dr. Ram Adhar Mall, Ehrenpräsident der GIP, den Fokus auf die „Interkulturelle Orientierung in Forschung und Lehre vor dem Hintergrund der Dekolonialisierung der eurozentristischen Historiographie der Philosophie“. Aus dem reichhaltigen Fundus einer über mehrere Jahrzehnte reichenden Ausarbeitung interkulturellen Philosophierens schöpfend, skizzierte Mall in Anknüpfung an die von Karl Jaspers formulierte Vision der philosophia perennis sein Verständnis einer interkulturellen Hermeneutik. In diesem Zusammenhang machte Mall auch auf die ethisch-epistemische Grundhaltung der Toleranz gegenüber anderen Überzeugungen sowie auf die politisch-pädagogischen Erfordernisse der Verbreitung und Verankerung interkultureller Orientierung in Institutionen der Wissensvermittlung aufmerksam.

Im dritten Vortrag „Epistemische Ungerechtigkeit (in) der Philosophiegeschichte“ gab Dr. Anke Graneß, Mitarbeiterin im Rainhart Koselleck-Projekt der DFG „Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive“ an der Universität Hildesheim, instruktive Einblicke in eben dieses Forschungsprojekt, in dem erstmals eine umfassende Sichtung und Systematisierung von Philosophiehistoriographien in den unterschiedlichsten Sprachen und aus divergierenden kulturellen Blickwinkeln angestrebt wird.

Auf der anschließenden Mitgliederversammlung der GIP wurde u.a. ein neuer Vorstand gewählt. Die für die kommenden drei Jahre amtierenden Vorstandsmitglieder sind:

PRÄSIDENT: Dr. Niels Weidtmann (Tübingen)

VIZEPRÄSIDENTIN: Dr. Anke Graneß (Hildesheim)

VIZEPRÄSIDENT: Prof. Dr. Georg Stenger (Wien)

SCHATZMEISTER: Fernando Wirtz (Tübingen)

GESCHÄFTSFÜHRER: PD Dr. Markus Wirtz (Köln)

STELLVERTRETENDE GESCHÄFTSFÜHRERIN: Dr. Evrim Kutlu (Köln)

BEISITZER/INNEN:

Prof. Dr. Rolf Elberfeld (Hildesheim)

Dr. Gabriele Münnix (Düsseldorf)

Prof. Dr. Chibu Udeani (Würzburg)